Sie sind winzig klein und doch eine veritable erdgeschichtliche Quelle: Pollen sind meist gerade mal 20 Mikrometer also 0,02 Millimeter, groß. Anhand dieser Kleinstpartikel ist es nun einem Forschungsteam der Leibniz Universität Hannover (LUH) und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gelungen, das früheste Auftreten von Blütenpflanzen, so genannten Angiospermen, deutlich zu präzisieren. Ging man bislang davon aus, dass zweikeimblättrige Blütenpflanzen, die Eudikotyledolen, erstmals vor rund 121 Millionen Jahren aufkamen, so konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Palynologische Untersuchungen zur frühesten Phase der Angiospermen Evolution“ mittels neuer Befunde nachweisen, dass Blütenpflanzen schon mindestens zwei Millionen Jahre früher existierten. Das Projekt lief von Oktober 2020 bis einschließlich März 2025 und wurde mit 255.000 Euro gefördert.
Die ersten Landpflanzen überhaupt gab es nach bisherigem Forschungsstand im Erdzeitalter des Ordoviziums, also vor rund 485 bis 444 Millionen Jahren. Zunächst waren es Moose, später kamen Farne dazu, Ginkgos und Koniferen. Blütenpflanzen – heute die vielfältigste Gattung der Landpflanzen überhaupt – gab es erst mehr als 300 Millionen Jahre später. Forscherinnen und Forscher konnten jetzt die bislang ältesten Pollen die von zweikeimblättrigen Blütenpflanzen produziert wurden in Gesteinsabfolgen aus Portugal nachweisen. Prof. Dr. Ulrich Heimhofer, Institut für Erdsystemwissenschaften der LUH, und Dr. Julia Gravendyck, Institut für Organismische Biologie, Universität Bonn, identifizierten mit ihrem Team fossile Angiospermenpollen aus küstennahen Meeresablagerungen aus dem Lusitanischen Becken in Portugal; diese haben sie auf etwa 123 Millionen Jahre vor heute datiert.
Wie und aus welchen Pflanzen sich die blühenden Pflanzen entwickelt haben, ist noch unklar. Fakt ist hingegen, dass die Angiospermen einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten hatten. Sie bereicherten die Artenvielfalt auf der Erde ungemein. „Die biologische Diversität wurde durch das Auftreten der Blütenpflanzen erheblich verändert“, sagt Professor Heimhofer. „Aber seit wann und wo genau diese Entwicklung startete, ist schon seit Darwins Zeiten eines der großen Rätsel der Biologie“ sagt Dr. Gravendyck. Unklar bleibt auch nach wie vor, welchen Einfluss plattentektonische Prozesse und großmaßstäbliche Klimaveränderungen als mögliche Treiber für die Entwicklung der Angiospermen hatten.
Die Ergebnisse wurden diese Woche in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS)“ publiziert: Gravendyck et al. (2025): Barremian tricolpate pollen from Portugal – new evidence for the age of eudicot-related angiosperms. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.2421470122.